
Die Lage am MorgenWie schmutzig wird der Kampf zwischen DeSantis und Trump?

VonPhilipp Wittrock
Heute geht es um den Ruckelstart der DeSantis-Kampagne. Wir befassen uns mit den Razzien gegen die »Letzte Generation«. Und wir blicken auf das angespannte Klima in der Ampelkoalition.
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Ruckelstart für den rechten Hardliner
Für den offiziellen Launch seiner Kampagne hatte sich Ron DeSantis maximale Aufmerksamkeit gesichert. Helfen sollte ihm dabei Elon Musk, bei dessen Twitter-Event Floridas Gouverneur öffentlich erklären durfte, was natürlich längst jeder wusste: dass er sich um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bewirbt.

Musk versteht es bekanntlich nicht nur, mit wenigen Worten viel Wirbel zu machen. Er kennt sich auch mit Raketenstarts aus. DeSantis wird gehofft haben, dass Musk ihm einen ordentlichen Schub gibt.
Den kann er brauchen, denn, glaubt man den Umfragen, führt im Moment Donald Trump das Feld der republikanischen Bewerber an. DeSantis hat zuletzt deutlich an Boden verloren, gilt aber immer noch als Trumps gefährlichster Konkurrent.
Die Twitter-Livekonferenz ist dann eher zum Ruckelstart für den rechten Hardliner geraten. Tonaussetzer, Rückkopplungen, Verbindungsabbrüche – rund eine halbe Stunde gab es technische Probleme, bis die Sache endlich lief. Peinlich für Musk. Ärgerlich für DeSantis. Der Spott war ihnen sicher, sogar Joe Biden machte sich lustig und twitterte einen Spendenaufruf für seine Kampagne mit den Worten: »Dieser Link funktioniert.«
Die Frage ist nun: Wie will DeSantis Trump schlagen? Dass der rechte Hardliner seinen Kampf gegen alles fortsetzen wird, was im Verdacht steht, »woke« zu sein, ist klar. Der Ex-Präsident aber arbeitet sich schon jetzt bei jeder Gelegenheit an seinem Konkurrenten ab, schmäht ihn als »DeSanctimonious«. Der wiederum hält sich mit direkten Angriffen gegen seinen einstigen Ziehvater bisher zurück. Er braucht schließlich einen Teil der Republikanerbasis, die Trump noch die Treue hält.
Beim Twitter-Interview setzte DeSantis nun ein paar leichtere Hiebe gegen Trump. Die Republikaner müssten die »Verliererkultur« der vergangenen Jahre loswerden. Eine Regierung sei nicht zur »Unterhaltung« da, es gehe nicht darum, »eine Marke aufzubauen«.
Ob das reichen wird, sich von Trump abzusetzen? Der jedenfalls setzte zeitgleich auf seiner eigenen Internetplattform schon wieder Tiraden gegen DeSantis ab.
Ron DeSantis’ Präsidentschaftsambitionen: Der Mann, der Trump herausfordern will
Wird der Klimaprotest jetzt noch radikaler?
Ja, sie nerven gewaltig. Ich hege keine Sympathien für die Klebeaktionen der »Letzten Generation«, ob auf der Straße oder am Bilderrahmen. Ich glaube nicht, dass die beliebige Nötigung zufällig anwesender Menschen gepaart mit Weltuntergangrhetorik den Klima- und Umweltschutz wirklich voranbringen – was unbestritten dringend nötig wäre.

Was aber die Generalstaatsanwaltschaft München und das bayerische LKA mit ihren bundesweiten Razzien nun veranstalten, erscheint mir doch unangemessen. Natürlich dürfen die Aktivisten nicht über dem Gesetz stehen, nur weil sie in ihrem ideologischen Eifer für sich in Anspruch nehmen, die wahren Hüter der Verfassung zu sein. Wer Straftaten begeht, muss mit allen Konsequenzen des Rechtsstaats rechnen. Erst recht, wenn es, wie jetzt auch angeführt wird, um Sabotage an kritischer Infrastruktur geht.
Aber den Paragrafen 129 herauszuholen und zu versuchen, die »Letzte Generation« in Gänze als kriminelle Organisation zu brandmarken? Morgens um sechs bei einer Aktivistin die Tür einzutreten und mit gezückter Waffe ins Schlafzimmer zu stürmen, wie es die Betroffene schildert?
Der Verdacht drängt sich auf, dass die Härte der Ermittlungsbehörden vor allem Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Die Klimakleber spielen mit der Polizei Katz und Maus, nun will die andere Seite zeigen: Wir können auch anders. Dafür packe der Rechtsstaat die Brechstange aus, analysiert mein Kollege Wolf Wiedmann-Schmidt, dem einer der Durchsuchungsbeschlüsse vorliegt.
Dass die Verhältnismäßigkeit dabei auf der Strecke bleibt, zeigt der peinliche und eigentlich unverzeihliche Fehler der Münchner Generalstaatsanwaltschaft bei der Sperrung der Website der »Letzten Generation«: Da wurde die Gruppierung kurzerhand schon mal zur kriminellen Vereinigung vorverurteilt, als ob darüber nicht Gerichte zu entscheiden hätten.
Es ist nicht auszuschließen, dass das alles nach hinten losgeht. Dass die selbst ernannten Klimaretter nun glauben, noch radikaler werden zu müssen. Und dass sie viele, viele Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen, die sich mit ihnen solidarisieren. In den kommenden Tagen ist mit neuen Aktionen zu rechnen, auch Protestmärsche sind geplant, heute Abend zum Beispiel in München.
Razzia bei der »Letzten Generation«: Der Rechtsstaat packt die Brechstange aus
Koalition im Wildsau-Modus
Das Klima in der Koalition? Total vergiftet! Die einen werfen den anderen vor, sich wie eine »Wildsau« aufzuführen. »Gurkentruppe« schallt es zurück, da seien wohl ein paar Sicherungen durchgebrannt.

Nein, diese Schmähungen haben sich in diesen Tagen keine Ampelvertreter gegenseitig an den Kopf geworfen. So ging es 2010 zu in der sogenannten Wunschkoalition aus Union und FDP. Liberale und CSU beschimpften sich im Zoff über die Gesundheitsreform wüst.
Daran kann man ruhig einmal erinnern, wenn Unionspolitiker sich nun betont fassungslos geben, weil die Stimmung in Olaf Scholz' rot-grün-gelbem Regierungsbündnis gerade, sagen wir mal, etwas angespannt ist.
CDU-Mann Jens Spahn sieht die Ampel beim Streit über das Heizungsgesetz auf dem Weg zu einer »Wirtshauskeilerei« und »am Rande der Regierungsfähigkeit«. CSU-Kollege Alexander Dobrindt (dem das Copyright auf die liberale »Gurkentruppe« gebührt) legt dem Bündnis ganz uneigennützig nahe, »die richtigen Schlüsse zu ziehen und diese vermeintliche Zusammenarbeit zu beenden«.
Ähnliche Tipps gab es vor 13 Jahren übrigens von den Sozialdemokraten an die Adresse von Union und FDP – wenig überraschend folgte die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel dem Rat damals nicht. Ich wage, Stand heute, die Prognose, dass auch die Ampelparteien die Koalition nicht platzen lassen und stattdessen die vollen vier Jahre durchhalten.
Man sollte den Ärger unter Regierungspartnern nicht kleinreden, gerade der Vorwurf des Wortbruchs (Habeck an die FDP) wiegt schwer und zeugt von wachsendem Misstrauen. Aber noch schwerer wiegt meist der Wille zum Machterhalt.
An diesem Donnerstag, davon können Sie ausgehen, wird in der Ampel weiter gestritten. Und weiter regiert.
FDP-Fragenkatalog zur Wärmewende: Die Listen-List
Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:
»Das sind keine Wunderwaffen«: Nach langem Zögern zeichnet sich ab: Der Westen will der Ukraine nun auch F16-Kampfflugzeuge liefern. SPIEGEL-Redakteur Jörg Römer erklärt, warum das den Krieg nicht entscheidet – aber dennoch bedeutsam ist.
Liberale, Anarchisten und Neonazis: Die Anti-Putin-Russen im Ukrainekrieg: Der Überraschungsangriff im Grenzgebiet bei Belgorod hat Russlands Verwundbarkeit demonstriert. Was hat Kiew mit den Kämpfern zu tun? Und welche Auswirkungen hat die Operation für den Krieg?
»Von Bachmut ist nichts mehr übrig«: Die ostukrainische Stadt Bachmut ist unter russischer Kontrolle. Der britische Militärexperte Ed Arnold sagt allerdings: Inzwischen sei die Stadt nur noch ein »unbedeutender Punkt auf der Karte«.
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Verlierer des Tages…
… ist Reimund Neugebauer. Neugebauer, 69, ist seit 2012 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, einer der wichtigsten Forschungsorganisationen der Welt, ausgestattet mit einem Budget von 2,9 Milliarden Euro, mitfinanziert vom deutschen Staat und seinen Ländern.

Seit Jahren sind Neugebauer (und weitere Vorstandsmitglieder der Gesellschaft) mit Vorwürfen konfrontiert, Privates und Dienstliches nicht immer sauber zu trennen und es sich auf Dienstreisen gut gehen zu lassen. Sie sollen First oder Businessclass fliegen, in Luxushotels logieren und in teuren Restaurants essen – auf Steuerzahlerkosten. Noch vor einigen Wochen kritisierte der Bundesrechnungshof das Gebaren der Fraunhofer-Führung scharf.
Neugebauer sah bisher keinen Anlass für schnelle Konsequenzen, er will sich erst im Herbst – immerhin ein Jahr früher als geplant – zurückziehen. Vielen reicht das angesichts der wiederholten Verstöße nicht, Politikerinnen und Politiker fordern seine Ablösung. Am Donnerstag nun tagt erstmals seit dem jüngsten Rechnungshofbericht der Fraunhofer-Senat. Dieser soll einen neuen Chef wählen – und könnte Neugebauer sofort absetzen.
Kritik an umstrittenem Fraunhofer-Chef: »Wir lassen uns nicht länger auf der Nase herumtanzen«
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Ihr Philipp Wittrock, Chef vom Dienst in Los Angeles